Unfall auf Parkplatz: Es kommt darauf an, wer zuerst steht!

Datum

01.04.2016

Art des Beitrags

Rechtstipp

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat einmal mehr Licht ins Dunkel der Frage gebracht, wer überwiegend haftet, wenn zwei aus Parkbuchten rückwärts ausparkende Fahrzeuge durch einen Zusammenstoß beschädigt werden. In einer aktuellen Entscheidung (Az. VI ZR 6/15) hielten die Richter fest, dass denjenigen, der beweisen kann, dass sein Fahrzeug im Zeitpunkt des Unfalls bewegungslos stand, nur eine geringe Mitschuld an dem Unfall trifft.

Unfallklassiker „rückwärts Ausparken“

Hintergrund der Entscheidung war ein Unfall aus dem Jahre 2013. Bei dem Ausparkvorgang eines Fahrzeugführers – des späteren Klägers – auf einem Parkplatz kam es zu einem Zusammenstoß mit einem ebenfalls rückwärts ausparkenden Fahrzeug in der zwischen den zwei Parkbuchten befindlichen Gasse. Die Versicherung des anderen Fahrzeughalters regulierte den Schaden am erstgenannten Fahrzeug entgegen der Forderung des späteren Klägers lediglich zur Hälfte. Sie verwies darauf, dass nach allgemeinen Grundsätzen in solchen Konstellationen eine Mitschuld der beiden Beteiligten von jeweils 50% bestehe, weswegen eine Übernahme weitergehender Kosten nicht in Betracht komme.

Hiergegen wehrte sich der Kläger vor Gericht. Der Fall nahm seinen Weg durch die Instanzen und landete schließlich vor dem BGH. Streitig war zwischen den Parteien vor allem, ob die beiden Fahrzeuge während des Zusammenstoßes in Bewegung waren oder ob das Fahrzeug des Klägers beim Unfall bereits bewegungslos stand. Der Kläger argumentierte nämlich, dass, wenn sein Fahrzeug sich nicht bewegt hätte, eine Haftung des Unfallgegners zu 100% bestehe.

Bundesgerichtshof auf Seiten des Klägers

Während das Amtsgericht und das Landgericht die Klage noch abwiesen und ein hälftiges Mitverschulden des Klägers annahmen, weil die Unfallkonstellation typischerweise für ein Mitverschulden spreche, gab der Bundesgerichtshof dem Kläger in der letzten Instanz Recht. Die Richter dort nahmen an, dass es nicht auszuschließen sei, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt bereits zum Stehen gekommen war. Dann sei allerdings nicht von einer typischen, die Haftung auf 50% verteilenden, Konstellation auszugehen – da einen sich auf einem Parkplatz nicht bewegenden Fahrzeugführer keine überwiegende Schuld treffe. Die Richter wiesen allerdings darauf hin, dass die „Betriebsgefahr“ des klägerischen Fahrzeuges noch einen Mitverschuldensanteil ausmachen könne – dies muss jedoch das Landgericht entscheiden, an welches der Fall zurückverwiesen wurde.

Bei Unfällen Rechtslage anwaltlich überprüfen lassen

Unfälle wie der geschilderte geschehen auf deutschen Parkplätzen täglich hundertfach. Nicht selten nehmen Fahrzeughalter daraufhin die Angebote gegnerischer Versicherungen an, die natürlich daran interessiert sind, den entstandenen Schaden der Höhe nach so gering wie möglich zu regulieren. Hiervon sollten Betroffene sich allerdings nicht beeindrucken lassen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt, dass es trotz der „Standardkonstellation“ des Unfalls beim rückwärts Ausparken stets auf die Gegebenheiten des Einzelfalles ankommt, um eine abschließende Bewertung der Haftungsfrage vorzunehmen. Mit dem Argument, beim Zusammenstoß bereits zum Stehen gekommen zu sein, haben Betroffene nach der neuesten Entscheidung gute Karten vor Gericht.

Charleen Pfohl

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Verkehrsrecht

02195 404 24

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