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Rechtstipp
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13.01.2023

Ist Arbeitszeiterfassung durch Videoaufzeichnung zulässig?

Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem kürzlich ergangenen Urteil ausführte, ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Arbeitszeit seiner Mitarbeiter zu erfassen. Wie genau die Zeiterfassung allerdings abläuft, blieb weiterhin offen. Ob insoweit die Kündigung eines Arbeitnehmers rechtmäßig ist, wenn ihm auf der Grundlage einer Videoüberwachung ein Arbeitszeitbetrug vorgeworfen wird, musste jetzt vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen geprüft werden (Az. 8 Sa 1148/20). Wie die Richter die Rechtslage beurteilten und welche Konsequenzen das Urteil für die arbeitsrechtliche Praxis hat, erfahren Sie im folgenden Rechtstipp.

Videoüberwachung von Mitarbeitern: fristlose Kündigung begründet?

In dem Sachverhalt, welcher den Richtern des LAG Niedersachsen vorlag, ging es um die Kündigung eines Mitarbeiters in einem Gießereibetrieb. Die Beschäftigten halten zur Arbeitszeiterfassung bei der Ankunft sowie dem Verlassen des Werksgeländes ihre persönliche Ausweiskarte an ein Kartenlesegerät. Daraufhin erfasst das SAP-System digital die Anwesenheit mit Datum und Uhrzeit. Im Juni 2019 erhielt der Arbeitgeber dann einen anonymen Hinweis, dass der später gekündigte Mitarbeiter sowie andere Kollegen regelmäßig Arbeitszeitbetrug begingen.

Fristlose Kündigung – Arbeitgeber bringt Videoaufnahmen als Beweise ein

Der Betreiber der Gießerei erteilte dem Mitarbeiter zunächst nur eine Verwarnung, die sich auf ein verfrühtes Verlassen des Arbeitsplatzes bezog. Später dann kündigte er ihm fristlos und außerordentlich unter Berufung auf Videoaufnahmen vom Werksgelände. Aus den ausgewerteten Aufnahmen konnte laut Arbeitgeber ermittelt werden, dass der Mitarbeiter falsch für Kollegen einstempelte oder den Arbeitsplatz zu früh verlies. Der Arbeitnehmer dementierte seinerseits einen Arbeitszeitbetrug und versicherte, jederzeit ordnungsgemäß gearbeitet zu haben. Ferner seien die Videoaufzeichnungen nicht dazu geeignet, seine Arbeitszeiten zu überprüfen.

Urteil des LAG Niedersachen über Verwertung von Videoaufzeichnungen im Kündigungsprozess

Die Richter des LAG bestätigten das Urteil der Vorinstanz und erklärten die Kündigung für unwirksam. Grundsätzlich könne ein Unternehmen zwar Mitarbeiter kündigen, wenn vorsätzlich eine Stempeluhr zum Zwecke eines Arbeitszeitbetruges missbraucht werde. Der Arbeitgeber müsse nämlich auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit der Beschäftigten vertrauen können. Allerdings könne der Arbeitgeber im vorliegenden Fall die behaupteten Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers nicht beweisen.

Videoaufzeichnungen verwertbar? Arbeitszeitbetrug durch Missbrauch der Stempeluhr

Der Arbeitgeber durfte die Erkenntnisse aus den Videoaufzeichnungen nicht verwenden, so das LAG. Eine Videoüberwachungsanlage an den Eingangstoren eines Betriebsgeländes sei ohnehin nicht dazu geeignet, die Arbeitszeiten der Mitarbeiter zu kontrollieren. Im vorliegenden Fall beginne die Arbeitszeit nicht mit dem Betreten des Geländes und ende auch nicht zwangsläufig mit dem Verlassen. Auch die Nutzung von über ein Jahr alten Videoaufzeichnungen zur Kontrolle der Arbeitszeit sei nicht angemessen. Der Arbeitgeber habe sich in seinem Betriebskonzept dazu verpflichtet, die aus der Videoüberwachungsanlage gewonnenen Daten nur 96 Stunden lang aufzubewahren. Die Verwertung der Daten verstoße insoweit gegen Datenschutzrecht und könne daher nicht als Beweis gegen den Arbeitnehmer angeführt werden. Nicht zuletzt durfte aufgrund der geltenden Betriebsvereinbarung auch der Speicher des Kartenlesegeräts nicht als Nachweis gelten.

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