Der noch vergleichsweise neue § 315d des Strafgesetzbuches stuft die Organisation und Teilnahme an illegalen Straßenrennen seit Mitte 2017 als Straftat ein. Problematisch ist, ob auch eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung, an der nur ein KFZ beteiligt ist, von der Vorschrift erfasst wird. Dieses Problem – sowie der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Norm – wurde in einem Beschluss des Kammergerichts Berlin umfassend erörtert (Beschluss v. 20.12.2019, Az. 161 Ss 134/19).
Immer mehr Verurteilungen wegen illegaler Straßenrennen
Kaum eine andere Norm hat seit ihrer Einführung so hohe Zuwachszahlen zu verzeichnen wie der § 315d StGB. Konkret stellt der Tatbestand drei Fallgruppen unter Strafe: Zunächst wird die Veranstaltung und Durchführung eines verbotenen Straßenrennens bestraft (§ 315d Abs. 1 Nr. 1). Darunter fällt vor allem ein sog. Cannonball-Run, bei dem versucht wird eine bestimmte Strecke so schnell wie möglich zurückzulegen. Ferner wird auch die Teilnahme an einem Straßenrennen bestraft (§ 315d Abs. 1 Nr. 2). Dafür muss es sich zwingend um ein Rennen mindestens zweier Fahrzeuge mit Renncharakter handeln. Das heißt, dass die Teilnehmer um eine Spitzenposition kämpfen müssen. Den Gegner muss man im Übrigen nicht einmal kennen, es reicht das sachgedankliche Mitbewusstsein hinsichtlich des Rennens.
Umstrittene Variante: Rennen gegen sich selbst steht unter Strafe
Die letzte Fallgruppe (§ 315d Abs. 1 Nr. 3) bezieht sich auf sog. „Rennen gegen sich selbst“. Dabei muss das Kraftfahrzeug im öffentlichen Raum geführt werden und sich mit einer unangepassten Geschwindigkeit fortbewegen. Von einer solchen unangepassten Geschwindigkeit spricht man meist bei einer deutlichen Überschreibung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (wie z.B. 80-100 km/h innerorts). Darüber hinaus wird gefordert, dass sich der Fahrer grob verkehrswidrig und zusätzlich rücksichtslos verhält. Grob verkehrswidrig heißt, dass man die geltenden Verkehrsvorschriften in erheblichem Maße verletzt. Rücksichtslos ist der Fahrer, wenn er z.B. anderen Verkehrsteilnehmern die Vorfahrt nimmt, rote Ampeln missachtet oder Fußgänger gefährdet. Beide Elemente müssen zeitgleich verwirklicht werden.
Kammergericht stellt klar: Nicht jede Geschwindigkeitsüberschreitung ist ein Einzelrennen!
Der Angeklagte im Ausgangsfall war als Essenslieferant mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Innenstadt Berlins gefahren und schließlich von der Polizei in einem Zivilfahrzeug verfolgt worden. Er überfuhr diverse durchgezogene Linien, passierte eine Straßenbahnhaltestelle mit 55 km/h und vollzog Spurwechsel ohne das Betätigen des Blinkers. Der Angeklagte richtete sich gegen die erstinstanzliche Verurteilung nach § 315d StGB. Er machte geltend, dass bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht tatbestandlich seien und wendete die Verfassungswidrigkeit des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB ein – mit teilweisem Erfolg. Das Kammergericht Berlin hob das Urteil gegen ihn auf, denn bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen seien gerade nicht von der Strafbarkeit der Norm erfasst. Indes konnte das Gericht kein gleichzeitig verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten des Angeklagten erkennen.
KG Berlin: Grobe Verkehrswidrigkeit und Rücksichtslosigkeit müssen zeitgleich vorliegen
Das Kammergericht stellte ferner fest, dass die Tatbestandsmerkmale der groben Verkehrswidrigkeit und der Rücksichtslosigkeit jeweils kumulativ (also gemeinsam) vorliegen müssen. Es reicht mithin nicht aus, wenn der Angeklagte einzelne Verkehrsverstöße „nur“ grob verkehrswidrig und andere „nur“ rücksichtslos begeht. Im konkreten Fall erfülle weder das Wechseln der Fahrspur ohne Betätigung des Blinkers noch das rasante Passieren der Straßenbahnhaltestelle oder die hohe Geschwindigkeit von bis zu 89 km/h beide Voraussetzungen gleichzeitig.