Ist eine Kündigung bei Verdacht auf Vortäuschung der Arbeitsunfähigkeit wirksam?

Datum

07.05.2021

Art des Beitrags

Rechtstipp

Wird ein Arbeitnehmer durch eine Krankheit an der Ausübung seiner Tätigkeit gehindert, so besteht in der Regel ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Arbeitnehmer gar nicht krank ist, sondern seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht hat. Dieses Verhalten könnte einen Betrug darstellen und darüber hinaus eine außerordentliche Kündigung nach sich ziehen. Doch genügt für eine Entlassung schon der bloße Verdacht, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht ist?

Darüber urteilte kürzlich das Landesarbeitsgericht Köln (LAG Köln) im Falle eines Lageristen, der eine außerordentliche Kündigung von seinem Chef erhielt und sich dagegen wehrte (Urteil v. 10. Dezember 2020, Az: 8 Sa 491/20).

Aushelfen bei Pizzeria: Verdacht des Vortäuschens einer Krankheit?

In dem Fall, der vor den Kölner Richtern verhandelt wurde, war der Arbeitnehmer bei einem Logistikcenter beschäftigt und laut einer ärztlichen Bescheinigung infolge eines Magen-Darm-Infekts arbeitsunfähig erkrankt. Während dieser Zeit beobachtete der Vorgesetzte den Arbeitnehmer allerdings dabei, wie er vor einer Pizzeria Bestellungen in eine Styroporbox packte und anschließend in ein Auto einlud. Der Arbeitgeber vermutete daher, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgespielt und die entsprechende Bescheinigung erschlichen wurde. Infolgedessen konfrontierte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit seinem Verhalten und sprach eine außerordentliche, ersatzweise ordentliche Kündigung aus. Der Arbeitnehmer machte sodann vor dem Arbeitsgericht die Rechtsunwirksamkeit beider Kündigungen geltend.

Arbeitgeber von vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit überzeugt

Das Logistikunternehmen war davon überzeugt, dass der Mitarbeiter die Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung (AU-Bescheinigung) unrechtmäßig erschlichen und mithilfe dieser seine Krankheit nur vorgetäuscht habe. Zudem handele es sich bei der Tätigkeit in der Pizzeria um eine dem Arbeitgeber nicht bekannte Nebentätigkeit, sodass schon hiermit gegen den Arbeitsvertrag verstoßen worden sei. Nicht zuletzt habe der Angestellte seine Genesung verzögert oder verhindert, indem er während seiner Krankheit einer anderweitigen Arbeitstätigkeit nachging. All diese Aspekte wurden zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung aufgeführt.

Freundschaftsdienste des Arbeitnehmers – Grund genug für eine außerordentliche Kündigung?

Der klagende Arbeitnehmer hingegen bestritt die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Er sei nachweislich arbeitsunfähig krank gewesen und habe in der Pizzeria lediglich Essen bestellt und einen Kaffee getrunken. Da der Inhaber sein Bekannter sei, habe er diesem während der Wartezeit nur kurz geholfen. Die beobachtete Tätigkeit sei insgesamt lediglich eine freundschaftliche Hilfstätigkeit gewesen, welche vollkommen unentgeltlich verübt worden sei.

LAG Köln: Keine wirksame Kündigung ohne handfeste Beweise

Die Richter des LAG Köln erachteten ebenso wie die Vorinstanz die Kündigung als unwirksam. Denn die angeführten Verdachtsmomente seien keine ausreichenden Kündigungsgründe. Für eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB müssten grundsätzlich Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dies sei grundsätzlich auch möglich, wenn es einen ausreichenden Verdacht gebe, der das Vertrauen des Arbeitsgebers zu dem Arbeitnehmer nachhaltig zerstöre.

Kündigung nach Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit generell denkbar!

Um einen wirksamen Kündigungsgrund geltend zu machen, müsse der Arbeitgeber den Betrug des Angestellten jedoch hinreichend darlegen und tatsächlich beweisen. Dies sei ihm im vorliegenden Fall nicht gelungen, so die Kölner Arbeitsrichter. Das vom Arbeitnehmer eingereichte Attest der Arbeitsunfähigkeit habe einen hohen Beweiswert und indiziere die Vermutung der Richtigkeit. Es fehle vorliegend an objektiven Tatsachen, die Zweifel an der Richtigkeit des ausgestellten Attests begründen, sodass von der Richtigkeit ausgegangen werden müsse.

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Der verhandelte Fall zeigt: Arbeitnehmern wird grundsätzlich ein umfangreicher Kündigungsschutz eingeräumt – doch auch Arbeitgeber müssen sich nicht alles gefallen lassen. Entscheidend im Falle einer Kündigung ist auf Arbeitgeberseite die juristisch korrekte Begründung der Kündigung, damit diese wirksam ist und auch einer gerichtlichen Überprüfung standhält. Als Arbeitnehmer kommt es bei einer Kündigung vom Arbeitgeber dagegen auf eine ausgereifte Verteidigungsstrategie an, um Anhaltspunkte für die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung ausfindig zu machen.

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Daniel Junker

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