Checkliste: Was kommt im Strafverfahren auf mich zu?
Datum
26.06.2013
Art des Beitrags
Checkliste
Es ist – in aller Regel – DIE Ausnahmesituation für einen jeden Menschen: Wer eine Strafanzeige bekommt und zum Beschuldigten in einem Strafverfahren wird, findet sich plötzlich als Objekt der staatlichen Strafverfolgungsmaschinerie wieder. Dies kann schneller kommen, als man denkt: Schon ein einfacher Autounfall, bei dem eine andere Person verletzt wird, kann zum strafrechtlichen Tatvorwurf der fahrlässigen Körperverletzung führen.
Die psychischen Belastungen, die Unsicherheit über die Zukunft und das Gefühl, nicht mehr Herr der Lage zu sein, sind schwerlich auszuhalten. Gerade in solchen Situationen neigen Menschen dazu, beispielsweise durch ein Geständnis vorschnell zu agieren und sich damit mögliche Türen zu verschließen, die das Verfahren zu einer Einstellung oder einem Freispruch führen lassen könnten.
Im Strafverfahren zählt daher, sich optimal und unter Zuhilfenahme eines professionellen Beistandes vorzubereiten. In der nachfolgenden Checkliste haben wir für Sie einige wichtige Punkte zusammengefasst, die Sie als Beschuldigter im Strafverfahren unbedingt beachten sollten:
Check 1: Vorladung bei der Polizei
Einer der ersten Schritte in einem Strafverfahren ist stets die Vernehmung des Beschuldigten durch die Polizei. Für die Arbeit der Ermittlungsbehörden besteht in dieser Vernehmung ein wichtiger Schritt, denn auf den hier gewonnen Erkenntnissen kann die Anklage später ihre Argumente stützen. Die Wenigsten wissen jedoch, dass man den Termin bei der Polizei gar nicht wahrnehmen muss. Eine polizeiliche Vorladung hat keineswegs die Qualität, die beispielsweise eine gerichtliche oder staatsanwaltliche Ladung hat. Eine Pflicht zum Erscheinen bei der Polizei gibt es nicht - dem Beschuldigten entstehen auch keine verfahrensrechtlichen Nachteile, wenn er dort nicht erscheint.
ACHTUNG: VERNEHMUNG
Auch wenn die Polizei nach einem Unfall oder wegen einer Ordnungswidrigkeit noch „vor Ort“ eine mündliche Vernehmung durchführen will, sollten Betroffene von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen, um sich spätere Verteidigungsmöglichkeiten nicht zu verbauen.
Check 2: Festnahme
In einer Vielzahl von Fällen hat die Polizei das Recht, einen Beschuldigten an Ort und Stelle vorläufig festzunehmen. Ein solcher Moment ist für den Betroffenen natürlich hochemotional und – sofern öffentlich geschehen – demütigend. Hier jedoch gilt es, unbedingt besonnen zu reagieren!
ACHTUNG:
Eine hartnäckige Legende besteht darin, dass Beschuldigte bei einer Festnahme nur genau einen Anrufversuch hätten, um Vertrauenspersonen zu informieren. Dies ist natürlich nicht richtig: Vielmehr haben Beschuldigte das Recht, unverzüglich einen Angehörigen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Gelingt dies im ersten Versuch nicht, dürfen natürlich noch weitere Anrufe getätigt werden. Ein angerufener Anwalt wird sich umgehend um die Belange seines Mandanten kümmern und ihm im Gewahrsam beistehen.
Check 3: Wie setze ich diese Ansprüche wirksam durch?
Viele Betroffene nehmen das Ermittlungsverfahren auf die leichte Schulter und sind davon überzeugt, sich selbst verteidigen zu können – so manch einen hat in der Hauptverhandlung dabei schon einmal ein böses Erwachen ereilt.
Aber es gibt noch einen weiteren gravierenden Fehler, den man begehen kann: Wird die Anklageschrift zugestellt, so sollte man den Verteidiger unbedingt frühzeitig mit einbeziehen. Denn wer erst wenige Tage vor dem Verhandlungstermin einen Rechtsanwalt für Strafrecht hinzuzieht, der riskiert, dass der Anwalt keine Akteneinsicht mehr nehmen kann oder das Gericht zunächst vor der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung gestellten Beweisanträgen nicht nachgeht und der Fall erst in der Hauptverhandlung geklärt wird.
Dieses Vorgehen birgt mit erhöhten Kosten und einem höheren Prozessrisiko gleich zwei Gefahren, denen man durch die frühzeitige Einbeziehung eines Verteidigers aus dem Wege gehen kann.
Check 4: Hausdurchsuchung
Höchstpersönlich und intim wird es, wenn – auf einmal und unangekündigt – die Polizei oder die Staatsanwaltschaft vor der Türe steht und das Haus oder die Wohnung durchsuchen will. In aller Regel geht dies nur mit richterlicher Anordnung, allerdings kann diese Regel in Ausnahmefällen von den Ermittlungsbehörden ausgehebelt werden. Doch auch hier sind Betroffene nicht rechtlos:
- Anwesenheitsrecht: Zunächst einmal haben Betroffene das Recht, bei der Durchsuchung anwesend zu sein und sich frei im Haus zu bewegen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass mögliche Beweismittel vernichtet werden dürfen.
- Zeugen: Um einem möglichen Fehlverhalten der durchsuchenden Beamten vorbeugen zu können, darf der Betroffene – sofern kein Richter oder kein Staatsanwalt an der Durchsuchung teilnimmt – darauf bestehen, dass zwei Zeugen bei der Durchsuchung anwesend sind. Natürlich darf auch der Rechtsanwalt des Betroffenen bei der Durchsuchung anwesend sein.
- Durchsuchungen zur Nachtzeit: Solche Durchsuchungen sind grundsätzlich gesetzlich untersagt und nur in engen Ausnahmefällen zulässig.
- Schweigerecht: Auch bei der Hausdurchsuchung gilt, dass sich Betroffene nicht zu den vorgeworfenen Anschuldigungen äußern müssen. Es besteht bei der Hausdurchsuchung zwar eine Pflicht, diese zu erdulden – keineswegs muss aber bei der Durchsuchung mitgeholfen werden.
- Ausweispflicht: Der Betroffene hat das Recht, sich von den durchsuchenden Beamten die Namen und die Behördenzugehörigkeit nennen zu lassen.
- Durchsicht vin Dokumenten: Zur Durchsicht von Dokumenten sind Polizeibeamte in aller Regel nicht befugt, hier dürfen lediglich Staatsanwälte oder Richter tätig werden. Betroffene dürfen der Durchsuchung von Dokumenten durch Polizeibeamte widersprechen.
- Grund der Durchsuchung/Durchsuchungsverzeichnis: Bei einer Durchsuchung darf der Betroffene darauf bestehen, dass ihm schriftlich der Grund der Durchsuchung mitgeteilt und ein Verzeichnis der bei der Durchsuchung sichergestellten Dinge ausgehändigt wird. Der Betroffene sollte zudem darauf bestehen, dass ihm der Durchsuchungsbeschluss bzw. eine Abschrift des Beschlusses ausgehändigt wird.
Check 5: Die Haftstrafe
Ist das Strafverfahren zu dem Ergebnis gelangt, dass der Angeklagte zu einer Haftstrafe verurteilt wird, so bedeutet dies keineswegs eine Entrechtung des Betroffenen. Auch während der Haft können – mit der richtigen Begründung – vielfältige Rechte geltend gemacht werden.
Hierzu zählen beispielsweise Anträge auf Verlegung in eine andere Strafanstalt oder aber die Restaussetzung der Strafe zur Bewährung. Auch wenn die Zellen zu klein oder überbelegt sind oder in der Strafanstalt andere Missstände herrschen, kann mit anwaltlicher Hilfe Rechtsschutz erlangt werden.
Unser Fazit:
Beschuldigte im Strafverfahren müssen sich keinesfalls selbst belasten und sollten die Kommunikation mit den Behörden einem Strafverteidiger überlassen. Je eher dieser in das Verfahren eingreifen kann, desto größer sind die Möglichkeiten, Einfluss auf den Gang des Verfahrens zu nehmen und damit die Chancen auf eine Einstellung oder einen Freispruch zu erhöhen.
Der Strafverteidiger kennt auch das richtige Maß an notwendiger Kooperation, die der Beschuldigte den Behörden gegenüber entgegenbringen muss. Diese Tipps wird er im konkreten Einzelfall an seinen Mandanten weitergeben, damit dieser nicht durch ein „zu viel“ an Kooperation in unnötige Fallstricke gerät.
Hinweis: Der Inhalt dieser Checkliste ist zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung aktuell. Da sich sowohl Gesetze als auch Rechtsprechung schnell ändern können, kontaktieren Sie bei Fragen bitte den zuständigen Anwalt.