Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer: Was ändert sich für Firmenerben?
Datum
17.12.2014
Art des Beitrags
Rechtstipp
Von vielen Fachleuten erwartet hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 17.12.2014 per Urteil entschieden, dass diejenigen Regelungen des Erbschaftsteuer und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) verfassungswidrig sind, die Erben betrieblichen Vermögens gegenüber Erben nichtbetrieblichen Vermögens steuerlich unverhältnismäßig bevorzugen (Az. 1 BvL 21/12).
Hintergrund: Verschonung von Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer
Bis dato war es so, dass das ErbStG 85 % oder 100 % des Wertes unter anderem von Betriebsvermögen und von bestimmten Anteilen an Kapitalgesellschaften bei der Erbschaft steuerlich außer Ansatz ließ, wenn die im Gesetz hierfür vorgesehenen weiteren Voraussetzungen erfüllt wurden. Diese Verschonungsregelung hatte nach der offiziellen Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts zur Folge, dass mehr als ein Drittel des in den Jahren 2009 bis 2012 unentgeltlich übertragenen (Betriebs-)Vermögens von der Erbschaftsteuer befreit war.
Große Unternehmen werden unverhältnismäßig begünstigt
Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung ursprünglich kleine und mittelständische Familienbetriebe und insbesondere deren Arbeitsplätze schützen, damit sie durch eine möglicherweise anfallende Erbschaftsteuer im Todesfall des Inhabers nicht in eine Liquiditätskrise geraten. Diesen Zweck sahen die Richter des Bundesverfassungsgerichts auch als legitim und verfassungskonform an.
Allerdings dürften diese weitgehenden Regelungen nicht ohne weiteres auf größere Unternehmen angewendet werden: Nach Ansicht des Gerichts sei es unverhältnismäßig, auch solchen Unternehmen weitgehende Steuerverschonung zu gewähren, die durch die Erbschaftsteuer nicht in ihrem Bestand gefährdet sind. Hier müsse im Einzelfall geprüft werden, ob das jeweilige Unternehmen „bedürftig“ sei – also von der Erbschaftsteuer im Bestand gefährdet ist.
Anteile an Kapitalgesellschaften von mehr als 25% weiterhin begünstigt
Das Bundesverfassungsgericht stellte in seinem Urteil noch klar, dass Anteile an Kapitalgesellschaften, die mehr als 25 % der unmittelbaren Beteiligung am Nennkapital dieser Gesellschaften ausmachen, auch künftig zum erbschaftsteuerrechtlich begünstigtem Vermögen gehören dürfen. Die entsprechende Regelung sei deshalb verfassungskonform, weil bei einer Beteiligung in dieser Höhe nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass die Beteiligung nur eine reine und nicht schützenswerte Geldanlage sei. Vielmehr könne bei Beteiligungen in dieser Höhe von einer unternehmerischen Betätigung des Anteilseigners ausgegangen werden, was eine steuerliche Begünstigung rechtfertige.
Vorsicht: Betriebe unter 20 Beschäftigte
Negativ wirkt sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts indes in einem wichtigen Punkt für Betriebe mit weniger als 20 Beschäftigten – und damit 90 % aller Betriebe in Deutschland – aus: Unter bestimmten Voraussetzungen waren solche Betriebe auch dann von der Erbschaftsteuer befreit, wenn der Erbe die Lohnsumme im erworbenen Betrieb drastisch reduzierte – also Arbeitsplätze abbaute oder das Unternehmen schrumpfte.
Da der Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen aber zentrales Ziel der Steuerverschonung bei der Erbschaftsteuer ist, wurde diese Regelung vom Bundesverfassungsgericht für unzulässig erklärt. Künftig werden also auch Erben von Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten den Erhalt des Unternehmens für eine gewisse Zeit sichern müssen, wenn sie von den Vergünstigungen profitieren wollen.
Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2016
Der Gesetzgeber hat nun die Aufgabe bekommen, bis Mitte des Jahres 2016 die Regelungen zur erbschaftsteuerlichen Behandlung von Firmenübertragungen im Sterbefall grundsätzlich zu überarbeiten.
Insbesondere sind Kriterien zu entwickeln, ab welcher Unternehmensgröße im Einzelfall eine Bedürfnisprüfung erfolgen muss, wenn es um die Frage geht, ob das jeweilige Unternehmen ganz oder anteilig von der Erbschaftsteuer befreit werden soll. Zum anderen muss auch der Inhalt einer solchen Bedürfnisprüfung konkret ausgestaltet werden.
Nicht vorschnell handeln!
Bis zum Stichtag der Übergangsfrist bleiben die bestehenden Regelungen erhalten - eine gesetzliche Neuregelung wird allerdings im Zweifel auf den 17.12.2014 zurückwirken. Wer also bis Mitte Dezember 2014 nicht gehandelt hat (also z.B. durch Schenkung eines Betriebes), wird sich bedauerlicherweise auf die alten Regelungen nicht mehr berufen können. Deshalb macht es aus anwaltlicher Sicht keinen Sinn, nun vorschnell beispielsweise durch lebzeitige Übertragung von Betriebsvermögen zu versuchen, sich die „alten“ Steuervorteile zu erhalten.
Es wird abzuwarten sein, in welcher konkreten Form der Gesetzgeber das Erbschaftsteuerrecht für Betriebe und Kapitalanteile neu ausrichten wird. Dem Gericht nach liegt es in der Hand des Gesetzgebers, auch weiterhin "kleine und mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich zu begünstigen".
Sobald sich abzeichnet, in welche Richtung die Entwicklung verlaufen wird, müssen Erblasser von Firmen gleich welcher Größe reagieren und rechtlich wasserdichte Konzepte zur möglichst steuergünstigen Nachfolgeregelung ausarbeiten lassen. In Betracht kommen für Firmeninhaber sicherlich gestalterische letztwillige Verfügungen gegebenenfalls in Kombination mit teilweiser lebzeitiger Übertragung. Auch bietet es sich an, über eine Beratung zum Thema Firmenumwandlung und Umstrukturierung nachzudenken.