Benachteiligung bei der Bewerbung: Schwerbehinderten dürfen geringe Erfolgsaussichten nicht von vornherein mitgeteilt werden!
Datum
10.02.2015
Art des Beitrags
Rechtstipp
Niemand darf wegen einer Behinderung diskriminiert werden – so das deutsche Recht, insbesondere das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Einem Schwerbehinderten darf also nicht schon von vornherein mitgeteilt werden, dass er nach seiner schriftlichen Bewerbung bei einem persönlichen Vorstellungsgespräch nur eine sehr geringe Chance hat. Zumindest entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg (1 Sa 13/14), dass er dadurch diskriminiert werde und eine angemessene Entschädigung erhalten kann.
Einladung nur aufgrund der Anforderungen des Schwerbehindertenrechts
Konkret klagte ein schwerbehinderter Bewerber gegen einen öffentlichen Arbeitgeber, der ihn zwar zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte, aber mit der Einladung auch direkt eine geringe Erfolgschance des Schwerbehinderten in Aussicht stellte. In dem Schreiben wurde der studierte Bewerber darauf aufmerksam gemacht, dass er sich überlegen solle, ob er den weiten Weg für ein persönliches Gespräch trotz der geringen Erfolgsaussichten für eine Einstellung auf sich nehmen möchte. Außerdem wurde in der Mail noch darauf verwiesen, dass mit der persönlichen Einladung den Zielen des Schwerbehindertenrechts gerecht werden soll, indem man auch diesen Bewerbern eine Möglichkeit gibt, persönlich zu überzeugen.
Benachteiligtem steht Entschädigungsanspruch zu
Gegen das Schreiben wehrte sich der schwerbehinderte Bewerber: Eine Mail zu erhalten, in der ihm klar und deutlich mitgeteilt wird, dass sich eine Anreise für ihn quasi gar nicht lohnt, da er nur eingeladen wird, um die Grundsätze des Behindertenrechts zu wahren, sei für ihn nicht hinzunehmen. Deshalb machte er einen Entschädigungsanspruch geltend.
Diskriminierende Begründung des Arbeitgebers relevant
Auch das Gericht sah in dem Schreiben eine Benachteiligung des Klägers aufgrund seiner Behinderung. Eine solche Einladung, die das Gespräch schon als nahezu aussichtslos hinstellt, wirke für den Bewerber nur abschreckend. Es sei weiterhin nicht relevant, dass der Bewerber einen wesentlichen Teil der Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle sowieso nicht erfüllt hat. Abgezielt wird nämlich auf die Begründung des Arbeitgebers und nicht generell darauf, ob der Bewerber hätte abgelehnt werden dürfen. Der Kläger bekam eine Entschädigung in der Höhe eines Bruttomonatsgehalts zugesprochen.
Folglich sollten Arbeitgeber besonders aufmerksam sein, wenn sie Jobanwärtern auf ihre Bewerbungsschreiben antworten – besonders im Hinblick auf die Begründung einer Ablehnung eines Bewerbers. Um Fallstricken und Schadensersatzklagen vorzubeugen, sollten Arbeitgeber von einem auf das Arbeitsrecht spezialisierten Anwalt allgemeingültige Leitlinien entwickeln lassen, wie ablehnende Bescheide formuliert werden könnten. Dies nicht zuletzt auch, da durch die Öffentlichkeit eines solchen Verhaltens das Ansehen des Unternehmens nachhaltig beschädigt werden kann.
Auf der anderen Seite zeigt der Fall auch, dass Arbeitnehmern bei Ablehnungen oder abschreckenden Einladungen mit diskriminierender Begründung ein Entschädigungsanspruch zusteht. Betroffene haben die Möglichkeit, sich an einen Fachanwalt im Arbeitsrecht zu wenden, um diesen Anspruch außergerichtlich oder notfalls auch gerichtlich durchzusetzen.