Umstrittener § 315d StGB: Ab wann zählt eine Geschwindigkeitsüberschreitung als illegales Straßenrennen?

Datum

04.02.2021

Art des Beitrags

Rechtstipp

Der noch vergleichsweise neue § 315d des Strafgesetzbuches stuft die Organisation und Teilnahme an illegalen Straßenrennen seit Mitte 2017 als Straftat ein. Problematisch ist, ob auch eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung, an der nur ein KFZ beteiligt ist, von der Vorschrift erfasst wird. Dieses Problem – sowie der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Norm – wurde in einem Beschluss des Kammergerichts Berlin umfassend erörtert (Beschluss v. 20.12.2019, Az. 161 Ss 134/19).

Immer mehr Verurteilungen wegen illegaler Straßenrennen

Kaum eine andere Norm hat seit ihrer Einführung so hohe Zuwachszahlen zu verzeichnen wie der § 315d StGB. Konkret stellt der Tatbestand drei Fallgruppen unter Strafe: Zunächst wird die Veranstaltung und Durchführung eines verbotenen Straßenrennens bestraft (§ 315d Abs. 1 Nr. 1). Darunter fällt vor allem ein sog. Cannonball-Run, bei dem versucht wird eine bestimmte Strecke so schnell wie möglich zurückzulegen. Ferner wird auch die Teilnahme an einem Straßenrennen bestraft (§ 315d Abs. 1 Nr. 2). Dafür muss es sich zwingend um ein Rennen mindestens zweier Fahrzeuge mit Renncharakter handeln. Das heißt, dass die Teilnehmer um eine Spitzenposition kämpfen müssen. Den Gegner muss man im Übrigen nicht einmal kennen, es reicht das sachgedankliche Mitbewusstsein hinsichtlich des Rennens.

Umstrittene Variante: Rennen gegen sich selbst steht unter Strafe

Die letzte Fallgruppe (§ 315d Abs. 1 Nr. 3) bezieht sich auf sog. „Rennen gegen sich selbst“. Dabei muss das Kraftfahrzeug im öffentlichen Raum geführt werden und sich mit einer unangepassten Geschwindigkeit fortbewegen. Von einer solchen unangepassten Geschwindigkeit spricht man meist bei einer deutlichen Überschreibung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (wie z.B. 80-100 km/h innerorts).  Darüber hinaus wird gefordert, dass sich der Fahrer grob verkehrswidrig und zusätzlich rücksichtslos verhält. Grob verkehrswidrig heißt, dass man die geltenden Verkehrsvorschriften in erheblichem Maße verletzt. Rücksichtslos ist der Fahrer, wenn er z.B. anderen Verkehrsteilnehmern die Vorfahrt nimmt, rote Ampeln missachtet oder Fußgänger gefährdet. Beide Elemente müssen zeitgleich verwirklicht werden.

Kammergericht stellt klar: Nicht jede Geschwindigkeitsüberschreitung ist ein Einzelrennen!

Der Angeklagte im Ausgangsfall war als Essenslieferant mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Innenstadt Berlins gefahren und schließlich von der Polizei in einem Zivilfahrzeug verfolgt worden. Er überfuhr diverse durchgezogene Linien, passierte eine Straßenbahnhaltestelle mit 55 km/h und vollzog Spurwechsel ohne das Betätigen des Blinkers. Der Angeklagte richtete sich gegen die erstinstanzliche Verurteilung nach § 315d StGB. Er machte geltend, dass bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht tatbestandlich seien und wendete die Verfassungswidrigkeit des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB ein – mit teilweisem Erfolg. Das Kammergericht Berlin hob das Urteil gegen ihn auf, denn bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen seien gerade nicht von der Strafbarkeit der Norm erfasst. Indes konnte das Gericht kein gleichzeitig verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten des Angeklagten erkennen.

KG Berlin: Grobe Verkehrswidrigkeit und Rücksichtslosigkeit müssen zeitgleich vorliegen

Das Kammergericht stellte ferner fest, dass die Tatbestandsmerkmale der groben Verkehrswidrigkeit und der Rücksichtslosigkeit jeweils kumulativ (also gemeinsam) vorliegen müssen. Es reicht mithin nicht aus, wenn der Angeklagte einzelne Verkehrsverstöße „nur“ grob verkehrswidrig und andere „nur“ rücksichtslos begeht. Im konkreten Fall erfülle weder das Wechseln der Fahrspur ohne Betätigung des Blinkers noch das rasante Passieren der Straßenbahnhaltestelle oder die hohe Geschwindigkeit von bis zu 89 km/h beide Voraussetzungen gleichzeitig.

Ist § 315d StGB verfassungswidrig? Erste Einschätzung der Richter

Immer wieder kommen Bedenken über die Verfassungsmäßigkeit des § 315d StGB auf. Das KG führt im Urteil aus, dass die Norm seiner Ansicht nach nicht gegen die Verfassung verstoße. Insbesondere das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG werde beachtet, wonach eine Regelung nicht zu weit gefasst sein darf. Auch die Verwendung allgemeiner und auslegungsbedürftiger Begrifflichkeiten (wie z.B. „höchstmögliche Geschwindigkeit“) stehe dem nicht entgegen. Andere Gerichte sehen das anders und haben die Sache zur Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Eine Entscheidung soll noch 2021 ergehen.

Verbotene Kraftfahrzeugrennen: Das droht im Falle einer Verurteilung!

Im Falle einer Verurteilung (ohne dass jemand zu Schaden gekommen ist) droht eine Geldstrafe, die in der Regel zwischen 90-180 Tagessätzen (entspricht 3-6 Monatsgehältern) liegt und eine Entziehung der Fahrerlaubnis von 9-18 Monaten. Ferner kann das Tatmittel, also das KFZ, gem. §§ 315f, 74 StGB eingezogen werden, was zu erheblichen finanziellen Schäden führen kann.

Rechtsanwalt für Strafrecht hilft in Ihrem Fall: GKS Rechtsanwälte in Wuppertal und Radevormwald

Wem ein Verstoß gegen § 315d StGB vorgeworfen wird, sollte schnellstmöglich einen fachkundigen Rechtsanwalt kontaktieren. Bei der Verteidigung ist es ratsam, neben dem Einspruch ggf. ein Rechtsmittel einzulegen und auch die Verfassungswidrigkeit der Norm zu rügen. Denn nur so kann von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im eigenen Fall profitiert werden. Unsere Rechtsanwälte helfen Ihnen gerne in Ihrem individuellen Fall! Schreiben Sie uns schnell und unkompliziert über die unverbindliche Online-Beratung oder rufen Sie uns an.

Daniel Junker

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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