Abfindungsvereinbarungen bei Verkehrsunfallschäden
Datum
22.07.2016
Art des Beitrags
Rechtstipp
Verkehrsunfälle mit Verletzten sind keine Seltenheit. Allein im Jahr 2008 waren in Nordrhein Westfalen rund 80000 Verletzungen zu verzeichnen, die durch Verkehrsunfälle hervorgerufen wurden. Für die Statistik kommt es dabei auf einen Unfall mehr oder weniger selten an – für die Einzelperson jedoch, die womöglich noch eine körperliche Verletzung davon trägt, kann ein solcher Verkehrsunfall ein äußerst einschneidendes Ereignis darstellen.
Versicherungen denken ökonomisch
Mit einem Verkehrsunfall kommt auf die betroffenen Personen dabei auch ein nicht zu unterschätzender Betrag an Kosten zu, der – glücklicherweise – in der Regel von den Versicherungen der Unfallbeteiligten getragen wird.
Das Interesse der Versicherungen ist dabei in erster Linie ein ökonomisches. Wie ein Kaufmann versuchen sie, ihre Kosten auch bei einem Verkehrsunfall so gering wie möglich zu halten.
Teil dieser „Sparpraxis“ ist es dabei unter anderem, dem Unfallgegner des Versicherten, der durch den Unfall eine körperliche Verletzung erlitten hat, einen Abfindungsvergleich vorzuschlagen. Ein solcher Abfindungsvergleich zielt darauf ab, dem Unfallgegner einmalig eine für angemessen gehaltene Geldsumme zukommen zu lassen, wenn dieser sich im Gegenzug bereit erklärt, die Versicherung von jeglicher weiterer Haftung für Folgeschäden und anderer Nachforderungen freizustellen.
Aktueller Fall - Abfindungsvereinbarung entwickelte sich zum Nachteil
In einer jetzt rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Landgerichts Coburg (13 O 767/07) hat sich eine wie oben beschriebene Abfindungsvereinbarung jedoch als nachteilig für ein Opfer eines Verkehrsunfalls herausgestellt.
Nach einem Verkehrsunfall im Jahre 1977 erlitt das Unfallopfer in diesem Fall einen weiteren Unfall im Sommer des Jahres 2004, sodass er Anfang 2005 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden musste. Das Opfer ging dabei davon aus, dass die Dienstunfähigkeit aus dem jüngeren Unfall resultiere und erklärte sich im August 2005 mit der Versicherung des Unfallgegners aus dem Unfall des Jahres 1977 gegen eine Zahlung von 44.000 € für abgefunden. Als sich jedoch herausstellte, dass die Dienstunfähigkeit entgegen seiner Annahme doch aus dem ersten Verkehrsunfall resultierte, forderte der Geschädigte eine weitere Zahlung von der Versicherung des ersten Unfallgegners in Höhe von 37.000 €.
Das Landgericht Coburg befand jedoch, dass die Abfindungsvereinbarung des Unfallopfers mit der Versicherung des Schädigers einen endgültigen Charakter habe, sodass eine weiterer Schadenersatzanspruch und sonstige Nachforderungen nicht geltend gemacht werden könnten.
Die Nachteile überwiegen
Eine Abfindungsvereinbarung birgt den Vorteil, dass das Opfer eines Verkehrsunfalls einen in der Regel überdurchschnittlich großen Betrag als Abfindung erhält. Die Motivation der Versicherung liegt bei dieser Praxis darin, den Geschädigten zu einem frühen Zeitpunkt – oftmals ist der Genesungsprozess noch nicht ganz vollendet – durch eine Zahlung zu „ködern“, die über den durch ein Urteil erwirkbaren Betrag hinausgeht, um der Folgehaftung für Risiken, die noch nicht abschätzbar sind, aus dem Weg gehen zu können.
Jedoch zeigt das oben dargestellte Beispiel, dass bei einer Abfindungsvereinbarung das Risiko für eventuelle Spätfolgen und –schäden alleine vom Opfer zu tragen ist. Dies bedeutet, dass die Leistung der Versicherung bis auf einige wirklich sehr seltene Ausnahmefälle tatsächlich einmalig ist und weitere Schäden durch die geschlossene Vereinbarung regelmäßig nicht mehr übernommen werden müssen. Der dargestellte Fall zeigt auch deutlich, dass das vom Unfallopfer übernommene Risiko für die nahe und ferne Zukunft gar nicht objektiv überschaubar und damit viel zu hoch ist, um sich auf eine Abfindungsvereinbarung einzulassen.
Sollte es also tatsächlich zu einem Verkehrsunfall mit Personenschaden gekommen sein, kann nur geraten werden, hinter einer Abfindungsvereinbarung nicht nur das „schnelle Geld“ zu sehen. Besser ist es, sich in einem solchen Fall anwaltlich beraten zu lassen, um die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit treffen zu können. Zwar wird auch ein Anwalt das Risiko der Spätfolgen des Verkehrsunfalls nicht einschätzen können, jedoch ist er in der Regel in der Lage, auf gewisse Erfahrungswerte beim Umgang mit den gegnerischen Versicherungen zurückgreifen, um das für seinen Mandanten optimale Ergebnis zu erzielen.