Bundesverfassungsgericht urteilt: Rohmessdaten müssen überprüfbar sein!

Datum

18.12.2020

Autor

GKS Rechtsanwälte

Art des Beitrags

Rechtstipp

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat der Verfassungsbeschwerde eines Autofahrers stattgegeben, der gegen seinen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt hatte und im darauffolgenden Gerichtsverfahren auf Einsicht der Rohmessdaten des Blitzers bestand. Wir demonstrieren, welche neuen Möglichkeiten das Urteil für betroffene Autofahrer eröffnet und welche praktischen Probleme beim Zugang zu den Messdaten auftreten können.

Vorige Instanzen wiesen Einspruch und Rechtsbeschwerde des Fahrers zurück

Das Amtsgericht (AG) Hersbruck und das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg sprachen dem Betroffenen zunächst kein Recht auf Zugang zu den Rohmessdaten zu. Laut AG handele es sich bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem betroffenen Messgerät „PoliScanSpeed“ um ein standardisiertes Messverfahren, bei welchem die Richtigkeit der Messergebnisse regelmäßig indiziert sei. Anderweitige Anhaltspunkte, die zu konkreten Zweifeln an der Richtigkeit des Messergebnisses führen könnten, seien nicht ersichtlich.

Das OLG verwarf daraufhin auch die vom Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde. Der Beschwerdeführer habe ausreichende Möglichkeiten gehabt, sich im vorangegangenen Verfahren an der Wahrheitsfindung zu beteiligen. Ein Verstoß gegen den im Grundgesetz verankerten Grundsatz auf ein faires gerichtliches Verfahren scheide damit aus.

BVerfG widerspricht: Faires Verfahren setzt Möglichkeit der Einsicht in Messdaten voraus!

Das Bundesverfassungsgericht hat der Auffassung zahlreicher deutscher Gerichte nun entschieden widersprochen: Der Zugang zu den Rohmessdaten sei ebenso wie der Zugang zur Lebensakte eines Geschwindigkeitsmessgerätes notwendige Voraussetzung, um den Betroffenen ein faires gerichtliches Verfahren garantieren zu können. Zwar sei es richtig, dass auch weiterhin das sogenannte standardisierte Messverfahren existiere, bei dem die Beweispflichten auf Seiten der Behörde grundsätzlich reduziert sind. Allerdings müsse der Fahrer auch Anspruch auf Zugang zu außerhalb der Gerichtsakte befindlichen Informationen haben, damit er sich Gewissheit über Tatsachen verschaffen kann, die ihn be- oder entlasten.

Anwälte kämpfen seit Jahren für einen Anspruch auf Zugang zu Rohmessdaten

Unsere Rechtsexperten begrüßen das neue Urteil: „Wir fordern zusammen mit anderen Kollegen in der Anwaltschaft schon seit mehreren Jahren, dass der Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit auch im standardisierten Messverfahren für Betroffene nachvollziehbar und überprüfbar sein muss. Endlich hat das Bundesverfassungsgericht die Nichtherausgabe der Daten nun für unrechtmäßig erklärt.“

Folgen des Urteils für betroffene Autofahrer: Verfahrenseinstellungen wahrscheinlich

Das Urteil wirkt sich mittelbar auf eine Vielzahl von Ordnungswidrigkeitsverfahren aus. Denn theoretisch haben Autofahrer nun zwar einen gerichtlich bestätigten Anspruch auf direkten Zugang zu den Details und allen genauen Daten der jeweiligen Messung. Problematisch ist dabei allerdings, dass viele Blitzgeräte einzelne Berechnungsparameter gar nicht erst abspeichern oder aber unmittelbar nach der Messwertbildung wieder löschen. So ist es im Nachhinein oftmals nahezu unmöglich, die Richtigkeit der Messung genau nachzuvollziehen.

Es ist nunmehr davon auszugehen, dass sämtliche Verfahren, in denen eine Einsicht in die Rohmessdaten nicht (mehr) möglich ist, eingestellt werden müssen, sofern man einen berechtigten Grund für die Einsichtnahme vortragen kann. Zu beachten ist jedoch, dass die betroffenen Verfahren nicht alle per se eingestellt werden. Nur wer Einspruch gegen den konkreten Bußgeldbescheid einlegt und sich im Anschluss daran mit einer schlüssigen Begründung qualifiziert verteidigt oder verteidigen lässt, wird sich erfolgreich auf das neue Urteil des BVerfG berufen können.

Ordnungswidrigkeit: Spezialisierter Rechtsanwalt hilft bei Überprüfung von Bußgeldbescheid und Einsichtnahme in die Rohmessdaten

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