Vertrauensarbeitszeit möglich? BAG zur Zeiterfassung am Arbeitsplatz

Datum

18.11.2022

Art des Beitrags

Rechtstipp

Bereits im Jahr 2019 entschied der Europäische Gerichtshof im umstrittenen Stechuhr-Urteil (Az. C-55/18), dass Unternehmen zur Arbeitszeiterfassung ihrer Mitarbeiter verpflichtet sind. Nun befasste sich auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit den Systemen zur Protokollierung der Arbeitszeit. In diesem Rechtstipp verdeutlichen wir, welche juristischen Konsequenzen das BAG-Urteil nach sich zieht und welche Auswirkungen die Entscheidung auf mobiles Arbeiten und die Vertrauensarbeitszeit hat.

BAG: Arbeitgeber schon jetzt zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet

Nach aktuellem Gesetzeswortlaut ist der Arbeitgeber nur dazu verpflichtet, „die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 S. 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen“. Es ist zudem möglich, die Zeiterfassung von den Mitarbeitern durchführen zu lassen. Dies bietet sich vor allem für Arbeitnehmer im Homeoffice oder beim mobilen Arbeiten in Betracht. Im Urteil des BAG (vom 13.09.2022, Az. 1 ABR 22/21) – in dem es ursprünglich um die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Einführung von Zeiterfassungssystemen ging – betonen die Richter, dass die Zeiterfassung im Arbeitsschutzgesetz jedoch bereits verankert ist. Daraus ergibt sich sodann eine Pflicht zur generellen Arbeitszeiterfassung.

Politik gefordert – Betriebe mit Spielraum bei Arbeitszeiterfassung

Auf bundespolitischer Ebene wird noch geprüft, welcher rechtliche Anpassungsbedarf infolge des EuGH-Urteils von 2019 besteht. Offen bleibt jedenfalls, wie die Erfassung der Arbeitszeit im Detail ablaufen kann und muss. Das Urteil des höchsten europäischen Gerichts legt lediglich fest, dass „ein objektives, verlässliches und zugängliches System [eingeführt werden muss], mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann“. Auch wenn der vollständige Verzicht auf eine Dokumentation der Arbeitszeit insoweit nicht möglich ist, so kann dennoch das „Wie“ der Arbeitszeiterfassung entschieden werden.

Vertrauensarbeitszeit im Homeoffice bleibt weiterhin möglich, wenn auch mit Einschränkungen

Das Arbeiten im Homeoffice geht bei vielen Arbeitnehmern mit Vertrauensarbeitszeiten einher. In Anbetracht der rechtlichen Handhabe der einschlägigen Vorschriften durch das BAG stellt sich die Frage, ob die Vertrauensarbeit von zuhause weiterhin möglich ist. Zur Beantwortung dieser Frage ist es wichtig zu wissen, dass bereits vor dem Urteil des BGH die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes zu beachten waren. Die Arbeitnehmer können also auch weiterhin von zuhause arbeiten. Eine Einschränkung besteht jedoch darin, dass zweifellos ein Zeiterfassungssystem eingeführt werden muss. Die Integration eines solchen Systems ist dann ggf. mit einem organisatorischen Aufwand verbunden.

Warum der Arbeitgeber zur Zeiterfassung verpflichtet ist

Bei der generellen Zeiterfassungspflicht steht zum einen der effektive Gesundheitsschutz im Vordergrund. Dies ist der Gedanke, der fast allen Arbeitszeitregelungen zugrunde liegt. Das Modell der Vertrauensarbeit steht diesem Grundgedanken zunächst nicht entgegen, sodass es weiterhin bestehen bleiben kann.

Ein weiterer Punkt ist die Vergütung der Arbeitszeit. Auch bei der Vertrauensarbeit können Überstunden anfallen, die der Arbeitnehmer vergütet bekommen möchte. Zunächst ist immer die arbeitsvertragliche Regelung über die geleisteten Überstunden zu beachten. Doch vor allem haben Arbeitnehmer in der Vergangenheit mit Darlegungs- und Beweisproblemen zu kämpfen gehabt – denn der Mitarbeiter muss die Leistung von Überstunden beweisen. Das BAG führt dazu aus, dass die Zeiterfassung vor allem bei der Darlegung von Überstunden hilfreich sein kann.

Arbeitgeber unter Druck? Arbeitszeiterfassung verpflichtend!

Die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit ist bereits nach Auslegung Teil eines bestehenden Gesetzes. Deswegen gilt sie bereits ab sofort. Arbeitgeber müssen jedoch nicht unmittelbar handeln – das Arbeitszeitgesetz sieht zwar ein Bußgeld bei Verstoß gegen die Aufzeichnungspflicht von Überstunden vor, jedoch ist die Grundlage für die allgemeine Arbeitszeiterfassung das Arbeitsschutzgesetz. Letztes knüpft erstmal keine Folgen an Verstöße. Lediglich durch die Anordnung einer Arbeitsschutzbehörde kann bei Nichtbefolgen der Pflicht ein Bußgeld verhängt werden.

Um im weiteren Verlauf keine Bußgelder zu zahlen oder anderweitige Sanktionen zu erwarten, sollten Arbeitgeber jedoch nicht zu lange warten und sich über Zeiterfassungssysteme informieren.

Bei rechtlichen Fragen rund um die Zeiterfassung und das BAG-Urteil steht unser Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Daniel Junker Ihnen gerne Rede und Antwort. Schildern Sie uns Ihr juristisches Anliegen gerne schnell und unkompliziert über die unverbindliche Online-Beratung oder rufen Sie uns an (0202 245 67 0).

Daniel Junker

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Hinweis: Der Inhalt dieses Rechtstipps ist zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung aktuell. Da sich sowohl Gesetze als auch Rechtsprechung schnell ändern können, kontaktieren Sie bei Fragen bitte den zuständigen Anwalt.

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