BGH stärkt Pflichtteil in Bezug auf Lebensversicherungen

Datum

22.07.2016

Art des Beitrags

Rechtstipp

Wegweisendes Urteil im Erbrecht

Der Bundesgerichtshof hat in einem brandaktuellen Urteil (BGH, Urteil vom 28.04.2010, AZ: IV ZR 230/08) seine Rechtsprechung zur Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei Lebensversicherungen geändert. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch wird immer dann relevant, wenn nahe Verwandte (Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten, sog. „Pflichtteilsberechtigte“) durch die Gestaltung des Nachlasses weniger bekommen sollen, als Ihnen nach dem Pflichtteilsrecht eigentlich zustünde.

Beispielsfall:

Mann M hat den Sohn S und die Freundin F. Die Ehefrau des M und Mutter des S ist verstorben. Das Vermögens des M beträgt 250.000 EUR, hiervon vermacht er der F 200.000 EUR und dem S 50.000 EUR. Damit muss sich S jedoch nicht zufrieden geben. Da sein gesetzlicher Pflichtteilsanspruch die Hälfte des Nachlassvermögens und damit an sich 125.000 EUR betragen würde, hat er gegenüber der F einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 75.000 EUR.

Problem: Was ist der Wert einer Lebensversicherung?

In unserem kleinen Beispielsfall war der Pflichtteil einfach anhand des Nachlassvermögens auszurechnen. Problematisch sind jedoch seit vielen Jahren die Fälle, in denen sich Lebensversicherungen im Nachlassvermögen befinden. In diesen Fällen war lange unklar, wie der Wert des Nachlasses zu bestimmen ist. Von der Höhe des Nachlasses hängt aber wiederum die Höhe des Pflichtteils und damit auch die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ab. Lange Zeit war die Rechtsprechung des BGH davon ausgegangen, dass der Wert einer Lebensversicherung nur in den über die Jahre hinweg eingezahlten Beiträgen des Versicherungsnehmers bestehen würde. Untere Gerichte hielten das jedoch oftmals für ungerecht und bemaßen den Wert an der Versicherungssumme die im Todesfall tatsächlich ausgezahlt wurde, was immer zu einem wesentlich höheren Nachlasswert und damit auch zu einem höheren Pflichtteilsergänzungsanspruch geführt hat.

Bundesgerichtshof geht Mittelweg

Der BGH hat nun beiden Positionen eine Absage erteilt und einen Mittelweg gewählt: Maßgeblich für die Bemessung des Wertes einer Lebensversicherung ist nach Ansicht des BGH nunmehr der Rückkaufs- oder Marktwert der Versicherung zum Todeszeitpunkt des Verstorbenen. Dieser Wert liegt in der Höhe zwischen dem Wert der eingezahlten Prämien und der Versicherungssumme. Aus Sicht des Pflichtteilsberechtigten stellt die neue Rechtsprechung damit zwar keine optimale Lösung dar, aber im Vergleich zur alten Rechtsprechung immerhin eine wesentliche Verbesserung. Diejenigen, die den Pflichtteilsergänzungsanspruch dagegen zahlen müssen (in unserem Fall die F), müssen in Zukunft mit höheren Forderungen rechnen.

Was ist nun zu raten?

Alle Pflichtteilsberechtigen können ab jetzt höhere Ansprüche geltend machen, wenn eine Lebensversicherung abgeschlossen war. Da die neue Rechtsprechung des BGH daher den Unmut derjenigen auslösen wird, die den Ergänzungsanspruch zu zahlen haben, ist mit einer Zunahme an Rechtsstreitigkeiten zu rechnen. Aus Sicht der Erblasser (also derjenigen, die etwas vererben möchten) hat das Urteil des BGH wieder einmal gezeigt, dass die Vermeidung des Pflichtteils immer eine einzelfallbezogene Gestaltungsfrage ist und nicht durch pauschale Lösungen, wie z. B. durch die Einsetzung eines Dritten im Rahmen der Lebensversicherung, zu regeln ist. Gerade die Eingrenzung von Pflichtteilsansprüchen kann nur durch eine einzelfallbezogene Gestaltung der Nachlassfrage erreicht werden, da hier individuelle Kriterien, wie die Zusammensetzung des Nachlasses oder auch die Position des zu Enterbenden innerhalb Familie, zu berücksichtigen sind. Wer bei der Gestaltung des Nachlasses nicht das Risiko eingehen möchte, dass das Erbe entgegen seiner Vorstellung verteilt wird, sollte sich daher bei der Nachlassgestaltung durch einen Spezialisten beraten lassen.

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Andreas Jäger

Rechtsanwalt und Mediator, Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Erbrecht

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