„Eine kostenlose Schuldnerberatung kostet Zeit und Nerven“

Datum

24.07.2016

GKS Fachanwalt für Insolvenzrecht Holger Syldath steht Rede und Antwort zum Thema der Kosten einer Privatinsolvenz bei Beauftragung eines Rechtsanwalts

Frage: Herr Syldath, derzeit liest man in einer Vielzahl von Tageszeitungen (z. B. Artikel in der Westdeutschen Zeitung vom 10.12.2010, siehe unten), dass den kostenfreien Schuldnerberatungen das Geld ausgehe. Was sind die Folgen dieser Entwicklung?

RA Syldath: In der Tat scheint es zur Zeit auf Grund mangelnder Finanzierung der öffentlichen Hand nicht gut um die Schuldnerberatungen zu stehen. Als Folge einer sehr hohe Zahl von überschuldeten Privatleuten – in Wuppertal ist es nahezu jeder fünfte Volljährige – ist häufig eine enorm lange Wartezeit von vier bis sechs Monaten in Kauf zu nehmen, wenn ein Schuldner sich kostenlos beraten lassen möchte.
Teilweise werden schon gar keine neuen Auskunftssuchenden mehr angenommen oder es werden Schnellberatungen per Hotline eingerichtet, was aus der Natur der Sache schon dazu führt, dass der um Rat suchende Schuldner nicht in jedem Fall optimal beraten werden kann.

Frage: Gibt es denn eine Alternative zu den Schuldnerberatungen?

RA Syldath: Nun ja, vor dieser Frage steht wahrscheinlich ein jeder, der auf einer der Wartelisten einer Schuldnerberatung steht. Als echte Alternative kommt auf jeden Fall der Gang zu einem auf das Insolvenzrecht spezialisierten Fachanwalt in Betracht, der den Schuldner im Insolvenzverfahren begleiten kann.

Frage: Lohnt sich dies denn wirklich – ein Rechtsanwalt ist doch stets viel teurer als eine kostenlose Schuldnerberatung?

RA Syldath: Auch dies ist der am häufigsten gebrauchte Einwand und Entscheidungsgrund gegen einen Gang zum Rechtsanwalt. Dabei muss gesagt werden, dass diese Aussage auf einem weit verbreiteten Irrglauben beruht. Betrachtet man das Ergebnis eines Verbraucherinsolvenzverfahrens begleitet durch eine Schuldnerberatung mit dem eines gleichen Verfahrens begleitet durch einen Rechtsanwalt in einer Gesamtbilanz, so zahlt sich der Gang zum Rechtsanwalt regelmäßig aus.
Angefangen bei der kürzeren Wartezeit und damit einer früheren Restschuldbefreiung des Schuldners wird ein Rechtsanwalt für den Schuldner während jeder Phase des Mandats die Finanzen so weit wie möglich „beisammen halten“. Gerade hier machen viele Schuldner, die auf eigene Faust handeln, den Fehler, mit ihren ohnehin spärlichen Mitteln die drängelnden Gläubiger weiterhin bezahlen zu wollen. Der Rechtsanwalt aber steht ab Übernahme des Mandats zwischen dem Schuldner und den Gläubigern und wird nur solche Ausgaben für den Mandanten vornehmen, die tatsächlich für die erfolgreiche Durchführung des Insolvenzverfahrens unentbehrlich sind. Darüber hinaus wird er – innerhalb der rechtlichen Grenzen – versuchen, dem Mandanten den größtmöglichen Freiraum bezüglich seiner Finanzen zu verschaffen.
Hier besteht also zum einen ein großes Sparpotential, zum anderen wird dem Schuldner die Möglichkeit gegeben, seine ihm verbleibenden Mittel für sich selbst und nicht zur Befriedigung seiner Gläubiger zu nutzen.

Frage: Woran machen sich denn die Kosten eines Rechtsanwalts aus?

RA Syldath: Die Höhe des Rechtsanwaltshonorars bei Verbrauchern ist bei uns abhängig von der Anzahl der Gläubiger. Um dies so transparent wie möglich zu gestalten, vereinbaren wir mit unseren Mandanten Honorare von 500€ für Mandate mit bis zu 5 Gläubigern, 750€ für Mandate mit 6-10 Gläubigern, 1.000€ für Mandate mit 11-15 Gläubigern und 1.500€ für Mandate mit mehr als 15 Gläubigern (jeweils zzgl. der gesetzlichen Mehrwehrtsteuer). Dies klingt zunächst einmal nach viel Geld. Bei einer Abwägung zwischen den Vorteilen einer rechtsanwaltlichen Begleitung des Insolvenzverfahrens mit dem zu zahlenden Geldbetrag sollte jedoch klar werden, dass dies eine lohnende Investition ist, um sich selbst „an den Haaren aus dem Sumpf zu ziehen“.

Frage: Nun kann doch nicht jeder Schuldner auf Anhieb bis zu 1.500€ aufbringen?

RA Syldath: Dessen sind wir uns natürlich bewusst. Daher vereinbaren wir mit unseren Mandanten regelmäßig, dass lediglich ein Drittel des Honorars, also zwischen 167€ und 500€ zzgl. MwSt., als Vorschuss zu leisten ist.

Letzte Frage: Was unterscheidet denn die Leistung eines Rechtsanwalts im Detail von der einer Schuldnerberatung?

RA Syldath: Nun, die Leistungen ähneln sich im Grunde sehr. Wer sich gegen eine lange Wartezeit bei einer kostenlosen Schuldnerberatung und für die Beauftragung eines Rechtsanwalts entscheidet, hat jedoch „unterm Strich“ die Chance, das Verfahren der Verbraucherinsolvenz schneller hinter sich zu bringen als solche Schuldner, die eine Schuldnerberatung um Rat ersuchen.
Zudem wird ein Rechtsanwalt dem Schuldner bei der Bearbeitung aller rechtlich relevanten Anträge und Formulare helfend zur Seite stehen, damit diese rechtlich „wasserdicht“ sind. Auch sonst wird der Rechtsanwalt den Schuldner mit seinem Erfahrungsschatz persönlich durch das gesamte Eröffnungsverfahren begleiten. Während ein Schuldner sich also bei einer Schuldnerberatung zwar kostenlos beraten lassen kann, allerdings alle Verfahrenshandlungen (z.B. das Anschreiben an die Gläubiger) selbst vornehmen muss, hat ein durch einen Rechtsanwalt betreuter Schuldner jemanden zur Seite, der durch seine Erfahrung den Prozess der Verbraucherinsolvenz so schnell, effizient und kostengünstig wie möglich für ihn über die Bühne bringen kann. Dabei sollte vor allem beachtet werden, dass alleine der Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens 30 Seiten hat. Das sind 30 Seiten, auf denen der Schuldner Fehler machen kann, die im Nachhinein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gefährden könnten und damit viel Geld kosten würden.
Unterm Strich bleibt daher festzuhalten, dass ein Rechtsanwalt zwar nicht wie eine Schuldnerberatung damit werben kann, kostenfrei zu sein – das Sparpotenzial an Zeit, Nerven und Geld macht für überschuldete Verbraucher den Gang zum Rechtsanwalt jedoch zu einer guten Alternative zur „herkömmlichen“ Schuldnerberatung.



Westdeutsche Zeitung, Artikel vom 10.12.2010:

Den Schuldnerberatungen droht die große Pleite
Günstige Kredite, attraktive Handyverträge und komfortable Raten – mit diesen Werbeversprechen hat schon so manche Schuldnerkarriere begonnen. Am Ende können oft nur noch kostenfreie Schuldnerberatungen helfen. Doch die schlagen in Wuppertal jetzt Alarm. Der erste von drei Trägern, die Verbraucherzentrale (VZ), kündigt an: Wenn wir weiterhin von Kommune und Land unzureichend finanziert werden, müssen wir unser Angebot 2011 einstellen. Iris van Eik, VZ-Sprecherin NRW, sagt: „Uns fehlen 5.500 Euro im Jahr. Es kann doch nicht sein, dass es daran scheitert.“

Es ist tragische Ironie – den Schuldnerberatungen in Wuppertal steht finanziell das Wasser bis zum Hals. Und dabei ist gerade im Tal fast jeder fünfte Volljährige überschuldet – die privaten Ausgaben sind also höher als die Einnahmen. Bei Creditform liegt Wuppertal bundesweit auf dem zweiten Platz was die Pro-Kopf-Verschuldung betrifft.

Schon jetzt sind die Anlaufstellen Diakonie, Awo und Verbraucherzentrale überlaufen. Bei der Diakonie etwa gibt es mittlerweile eine Schnellberatung per Hotline. Wer eine persönliche Schuldner- oder Insolvenzberatung benötigt, muss vier bis sechs Monate Wartezeit einrechnen, bei der Verbraucherzentrale werden derzeit gar keine neuen Fällen angenommen. „Das ist eine Katastrophe“, sagt Ulrich Liebner, Leiter des Diakonie-Fachbereichs Beratung, und verweist auch auf die gesellschaftlichen und psychischen Folgen für die Betroffenen.

Im Jahr 2009 hat die Diakonie 1594 Personen beraten, im Durchschnitt lagen deren Schulden bei 33611 Euro und die Anzahl der Gläubiger bei 10. Selbst mit 6,5 Vollzeitstellen ist der Ansturm kaum zu bewältigen. Und Liebner sagt: "Die finanzielle Schere geht immer weiter auseinander."
Das Problem: Die laufenden Kosten steigen, während die Zuschüsse von Stadt für die Schuldner- und vom Land für die Insolvenzberatung seit Jahren eingefroren sind. Liebner: "Seit 1999 kriegen wir jährlich 40.000 Euro vom Land." Die Stadt verteilt seit 2005 jährlich 300.000 Euro auf die drei Träger.
Die Verbraucherzentrale macht am heutigen Freitag um 15.30 Uhr am Döppersberg (Alte Freiheit) eine Kundgebung zum Thema und sammelt symbolisch Spenden. Doch van Eik sagt: "Das wird nie reichen. Die Finanzierung hat ein strukturelles Problem."
Die Stadt spielt den Ball zur Landesregierung weiter. Sozialdezernent Stefan Kühn sagt: "Wir dürfen die Zuschüsse nicht erhöhen." Solch ein Haushalt könne von der Bezirksregierung nicht genehmigt werden. Er hoffe daher, dass die neue Landesregierung den Kommunen mit Nothaushalt mehr Freiheiten einräumt.

Die Folgekosten zahlen wir alle
(Kommentar zum WZ-Artikel von Daniel Neukirchen)
Diese Rechnung geht nach hinten los. Wenn die Schuldnerberatung tot gespart werden, trifft es am Ende die Ärmsten der Armen. Die sozialen Folgekosten bekommt die Stadt Wuppertal zu spüren, denn wer im Schuldensumpf versinkt, ist auf dem ersten Arbeitsmarkt schwer zu vermitteln. Ohne das kostenfreie Angebot verpassen die Betroffenen jedoch den letzten Notausstieg. Privatinsolvenz kann eine Lösung sein. Nur: Die Schuldner sind in der Regel mit dem Antrag überfordert. Kein Wunder: Das Schriftstück hat 30 Seiten.

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